THEI-4111.jpg

STRAFRECHT

„Hier sind Krieger gefragt – dabei ist der Gegner nicht immer leicht auszumachen.“

HANS THEISEN ALS RECHTSANWALT
IM STRAFRECHT
STRAFVERTEIDIGER AUS LEIDENSCHAFT
IN DRESDEN

Strafrecht war schon immer meine große Leidenschaft. Als ich meine forensische Karriere in den achtziger Jahren begann, habe ich relativ bald meine Liebe zur Strafverteidigung entdeckt. Ich denke, dass es etwas daran liegt, dass ich schon immer ein rebellischer Geist war und als Strafverteidiger ist man in der schönen Situation, dass auf der Gegenseite nie jemand sitzt, der einem leid tut. Man kämpft sozusagen immer mit einem Gegner, bei dem es Spaß macht, sich daran zu messen:  Es ist der Staat selbst, der auf der Gegenseite ist.

Das bedeutet nicht, dass der Strafverteidiger ein Staatsfeind wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Die Aufgabe, der Justiz entgegenzutreten und darüber zu wachen, dass der Mandant nur dann und nur in dem Maße bestraft wird, wie das ein Sachverhalt rechtfertigt, der entsprechend der Strafprozessordnung ordnungsgemäß ermittelt worden ist, ist den Rechtsanwälten (und einigen wenigen anderen) vom Staat zugewiesen worden. Gerade deswegen sind Anwälte auch Organe der Rechtspflege.

Gisela Friedrichsen, die Gerichtsreporterin des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL, hat einen meiner Strafrecht-Prozesse beobachtet. Ich kann Ihnen die Lektüre des Artikels „Ein bisschen demütigen“ trotz meiner vielleicht verzeihlichen Eitelkeit doch guten Gewissens empfehlen: Es ist eine hervorragende Kritik an der Justiz, die sicher keinen Einzelfall betrifft. 

~

Im Strafprozess geht es immer um das pralle Leben.

Das ist zwar nicht ganz richtig, denn wenn eine Geschwindigkeitsüberschreitung Gegenstand des Schuldvorwurfes ist, ist die anwaltliche Tätigkeit häufig nicht sehr spannend: In vielen Fällen stellt sich die Messung als nicht angreifbar heraus.

Aber egal ob es sich um ein einfaches Bußgeldverfahren handelt, um ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung in Größenordnung oder um einen Mordprozess –  der Strafprozess und das Ermittlungsverfahren sind von der Struktur her als Konflikt zwischen dem Bürger und Staat immer ähnlich gelagert:

Der Staat will in die Freiheitsrechte eines Bürgers mehr oder weniger massiv eingreifen, weil dieser angeblich Unrecht getan hat. Wenn das gar nicht stimmt oder das, was der Bürger getan hat, gar kein so großes Unrecht ist, wie es das Gericht aufgrund seiner Sicht auf das Ermittlungsergebnis sieht, dann ist es der Staat, der den Betroffenen Unrecht tut. In diesen Konflikt einzugreifen, ist für mich als Rechtsanwalt im Strafrecht immer wieder eine große Herausforderung.

~

Freispruch oder mildes Urteil?

Das ist eine Frage, die sich in den wohl meisten Fällen gar nicht stellt. Wenn jemand von einem Ermittlungsverfahren betroffen ist, wird der Anwalt oft erst eingeschaltet, wenn es zu spät ist. Da bei uns auch Polizisten und Staatsanwälte ordentlich ausgebildet sind, gibt es eine statistische Wahrscheinlichkeit, dass der, der von der Ermittlungsbehörde bereits als dringend tatverdächtig ausgemacht ist, vermutlich auch etwas ausgefressen hat. Wenn es anders wäre, müsste man darüber nachdenken, ob unsere Ermittler Nachhilfe bedürften. Deswegen geht es in sehr vielen Fällen bei einer Verteidigung eher darum, dafür zu sorgen, dass das Gericht auch all die Umstände betrachtet, die für den Betroffenen sprechen.

Selten geht es dabei wirklich um juristische Spitzfindigkeiten. Es ist immer die Frage, wie man einen Sachverhalt betrachten muss. Da spielt die Fähigkeit des Mandanten zur Selbstreflexion eine große Rolle. Für mich sind jedenfalls nach den Fällen, in denen die Tat selbst in Frage gestellt und das Ziel der Verteidigung der Freispruch ist, die Fälle besonders interessant, in denen es auch um die subjektive Seite einer Straftat geht: Der Vorsatz und die innere Einstellung zur Tat. Davor und danach.

~

Strafverfahren als umfassender Prozess

Wenn jemand zu Unrecht einer Straftat bezichtigt wird, geht es darum, das Gericht – besser noch vorher die Staatsanwaltschaft – davon zu überzeugen, dass der Vorwurf nicht zutrifft.

Wenn die Straftat aber tatsächlich begangen wurde, stellt sich für mich als Verteidiger die Frage, wie der Mandant dazu steht. Der Angeschuldigte darf natürlich lügen, er darf auch mich anlügen und die Tat abstreiten, muss aber damit rechnen, dass ich das merke. Ich bin darüber dann nicht böse, aber der Mandant beraubt sich der Chancen, die in einem Ermittlungsverfahren stecken.

Denn es muss ja nicht zwangsläufig nur die möglichst geringe Strafe das Ziel der Verteidigung sein. Der Verteidiger kann – und das kommt häufiger vor als viele denken – Anstoß oder Unterstützung geben, ein falsches Verhalten aufzuarbeiten. Dabei kann und muss man sicher auch andere Dinge mit in Betracht ziehen: Die Täter-Opfer-Beziehung, das Arbeitsverhältnis, die familiären Beziehungen, die finanzielle Situation u.ä.m.

Jemand, der nach einer tatsächlich geschehenen Straftat die Realität nicht zur Kenntnis nehmen will, den Strafanspruch des Staates nicht akzeptiert und sich für die Folgen der Tat nicht interessiert, hat deswegen trotzdem einen Anspruch darauf, dass er verteidigt wird. Ich bin dann aber für ihn vermutlich nicht der beste Verteidiger.

Mit Mandanten, die bereit sind, sich mutig ihren eigenen Fehlern zu stellen, erreiche ich erstaunliche Ergebnisse. Nicht jeder ist bereit, einen schwierigen Weg zu gehen. Aber es lohnt.