Wir sollten auf Macron hören.

Ich habe meinen Blog jetzt über ein Jahr vernachlässigt. Ich beende die Pause mit einer allgemeinen Betrachtung, weil auch die politische Großwetterlage ein wenig mitursächlich dafür war, dass ich in den vergangenen Monaten für die Pflege meiner Homepage keine Zeit oder keine Nerven hatte.

Jetzt hat Macron den Europäern und damit auch mir einen Brief geschrieben, das gibt Anlass, die Diskussion aufzugreifen.

Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, mit denen ich in vielen Fragen übereinstimme und die Sorge teile, ob es für die anstehenden riesigen Probleme in der Welt überhaupt vernünftige Lösungen gibt und ob in unserm Parlament dazu die richtigen Leute sitzen.

Aber dann kommen immer wieder Positionen, mit denen ich überhaupt nichts anfangen kann:

So z.B. eine Bewunderung oder auch nur Akzeptanz für den aktuellen Präsidenten der USA. Ist Trump für unser Land gut? Doch wohl eher nicht. Und selbst wenn er – wie es aussieht – die Chinesen jetzt klein kriegen sollte – niemand kann mir erzählen, dass man das nicht auch mit einer Politik hätte erreichen können, die die Bündnispartner mitnimmt. Aber wir spielen ja keine Rolle mehr.

Auf Zustimmung stoßen auch die Brexitiers, allen voran Boris Johnson und Nigel Farage. Ist der Brexit für unser Land gut? Ganz sicher nicht und für England war und ist allein die Möglichkeit, dass er tatsächlich exekutiert werden könnte, schon jetzt eine Katastrophe. Allein der Hass auf die Politik der EU reicht offenbar für eine derart irrationale Position.

Selbst für eine Figur wie Bolsonaro in Brasilien haben viele Sympathie übrig. Haben wir ein Interesse daran, dass der Regenwald weiter abgeholzt wird? Bestimmt nicht. Dass der Regenwald für unser Klima eine wichtige Rolle spielt, kann ernsthaft niemand bestreiten. Allein das müsste reichen, diesen Mann kritisch zu betrachten.

Dass Victor Orban von manchen „Regimegegnern“ ebenfalls geschätzt wird, ist schon länger bekannt. Ginge es unserem Land nicht besser, wenn es in Ungarn eine Regierung gäbe, die weniger korrupt und dafür mehr rechtsstaatlich wäre? Auch die, die von den Vorteilen eines Rechtsstaats noch nicht so überzeugt sind, müssten doch ohne Weiteres einräumen, dass es für unser Land besser wäre, wenn Ungarn uns wenigstens einen kleinen Teil der Migrationsbelastung abnehmen würde.

Trump, Johnson, Bolsonaro, Orban und so viele dieser unglaublich abstoßenden Politiker eint übrigens eins: Die Verachtung gegenüber dem eigenen Volk. Das macht sie auch unfähig zu einer nachhaltigen internationalen Kooperation.

Klimawandel und Umweltschutz: Die neuen „Oppositionellen“ kämpfen jetzt gegen eine „Ökodiktatur“. Obwohl z.B. völlig unstrittig ist, dass Feinstaub und Stickoxide gesundheitsschädlich sind, obwohl jeder weiß, dass die Autoindustrie dazu in der Lage gewesen wäre, die vorgegebenen Grenzwerte einzuhalten, obwohl jeder weiß, dass die Manager der großen Autokonzerne lieber betrogen haben als ehrlich ihre Arbeit zu machen, werden für die Probleme die angeblich zu hohen Grenzwerte und die zu strenge Messung in Deutschland verantwortlich gemacht. Geht`s noch?

Auch wenn ich schon etwas besorgt bin, weil die, die über bestehende und vermeintliche Missstände immer lauter schreien, bin ich doch optimistisch, dass der Höhepunkt dieser „Bewegung“ erreicht ist.

Immer mehr Menschen begreifen, dass das Errichten von Mauern, die Ablehnung und die Konfrontation die Probleme überhaupt nicht löst. Es bringt uns auch nichts, unsere Lebensart - freie Fahrt für freie Bürger, Kreuzfahrten und Flüge billig, Fleisch satt und im Übrigen nach mir die Sintflut - mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Es ist schon lange Zeit für eine Politik, die sicher stellt, dass alle Menschen auf der Welt eine Überlebenschance haben. Tun wir das nicht, werden wir Deutschen jedenfalls bei der beschränkten Macht, die wir haben, ganz bestimmt nicht die sein, die am Längsten in einer Komfortzone ausharren können. Mit unserer Bundeswehr jedenfalls könnten wir im Ernstfall unseren Way of life nicht mal einen kurzen Augenblick verteidigen.

Wir müssen also Verbündete suchen. Das sehen offenbar alle so. Plausibel erscheint mir da nur nicht, die Verbündeten da zu suchen, wo Nationalisten an der Macht sind. Denn eine Internationale der Nationalisten, das hat noch nie funktioniert. Deutschland hat ganz sicher nur eine Chance zu bestehen, wenn es ein starkes Europa gibt und wir dazu gehören.

Deswegen finde ich Macrons Brief an die Europäer erst einmal gut, auch wenn ich schon sehe, dass hinter den Visionen für die (armen) Menschen außerhalb von Europa nicht viel übrigbleibt. Aber wenn wir in Europa schon nicht für alle menschenwürdige Bedingungen schaffen können, dann werden wir überhaupt nichts mehr schaffen, weil die Zukunft dann ausschließlich von anderen Ländern gestaltet werden wird.