ENTGELTTRANSPARENZ FÜR KLEINBETRIEBE?

Wichtige Entscheidung eines LAG

Entgelttransparenz auch für Kleinbetriebe? – Urteil des LAG Niedersachsen vom 10. September 2024 (Az. 10 SLa 221/24)

Das Entgelttransparenzgesetz gilt bislang ausdrücklich nur für Betriebe mit mindestens 200 Beschäftigten. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kleinbetrieben bedeutete das bisher: Kein gesetzlicher Anspruch darauf, Gehälter von Kolleg:innen offenlegen zu bekommen. Doch mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. September 2024 (Az. 10 SLa 221/24) könnte sich diese Situation ändern.

Der Fall

Eine Tierärztin, beschäftigt in einer Klinik mit weniger als 200 Mitarbeitenden, hatte den Eindruck, dass ihre Vergütung deutlich unter der ihrer männlichen Kollegen liegt. Sie verlangte Auskunft über deren Gehälter. Nach dem Wortlaut des Entgelttransparenzgesetzes hätte ihr dieser Anspruch nicht zugestanden. Dennoch erkannte das LAG Niedersachsen: Unter bestimmten Umständen kann ein Auskunftsanspruch auch in kleineren Betrieben bestehen.

Die Begründung des Gerichts

Das Gericht stützte sich nicht direkt auf das Entgelttransparenzgesetz, sondern auf allgemeine Rechtsgrundsätze: - § 242 BGB (Treu und Glauben): Wenn es ernsthafte Anhaltspunkte für eine Benachteiligung gibt, kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, Informationen offenzulegen. - § 22 AGG: Hier greift die Beweislastumkehr – wer Indizien für eine Diskriminierung vorträgt, kann verlangen, dass der Arbeitgeber nachweist, dass keine Benachteiligung vorliegt. - Art. 157 AEUV: Europarechtlich ist die Entgeltgleichheit unabhängig von der Betriebsgröße garantiert. Männer und Frauen müssen für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden.

Ergebnis im konkreten Fall

Trotz dieser grundsätzlichen Erwägungen wurde die Klage im Ergebnis abgewiesen. Die Klägerin hatte nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, wie ihre Tätigkeit, Arbeitszeit und Verantwortung im Vergleich zu den männlichen Kollegen aussahen. Damit fehlte die notwendige Grundlage, um eine Benachteiligung zu vermuten. Der Anspruch scheiterte also an der Begründung im Einzelfall – nicht an der rechtlichen Möglichkeit.

Bedeutung für Arbeitnehmer:innen

Das Urteil öffnet eine Tür: Auch in kleineren Betrieben besteht eine Chance auf Auskunftsansprüche, wenn ernsthafte Hinweise auf Lohndiskriminierung bestehen. Wer glaubt, aufgrund des Geschlechts weniger zu verdienen, sollte sorgfältig Indizien sammeln – etwa vergleichbare Tätigkeiten, Arbeitszeiten oder Verantwortungsbereiche.

Bedeutung für Arbeitgeber

Kleinbetriebe können sich nicht mehr einfach hinter der Grenze von 200 Beschäftigten „verstecken“. Auch sie sollten ihre Gehaltsstrukturen dokumentieren und sachlich begründen – etwa durch Kriterien wie Berufserfahrung, Qualifikation, Verantwortung oder Leistung. Andernfalls drohen gerichtliche Verfahren und möglicherweise Nachzahlungen.

Ausblick

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist anhängig. Sollte das BAG die Auffassung des LAG Niedersachsen bestätigen, wäre dies eine kleine Revolution im Bereich der Entgelttransparenz: Lohngleichheit könnte dann auch in Kleinbetrieben einklagbar werden.

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