Muss der Arbeitnehmer bei eigener Kündigung die Kündigungsfrist einhalten?

Oft nur scheinbar eine Rechtsfrage!

Kürzlich hatte ich gleich zweimal mit ein und demselben Arbeitgeber zu tun. Der Arbeitgeber, ein größeres Dienstleistungsunternehmen mit mehreren 100 Mitarbeitern. Die Personalführung: unterirdisch. Irgendwo muss da bei den entscheidenden Führungskräften im Haus einiges schiefgelaufen sein. Vermutlich schon im eigenen Elternhaus. Die Folge: Jedenfalls in der Abteilung, in die ich Einblick nehmen konnte, waren sämtliche Mitarbeiter mit der Personalführung nicht einverstanden. Sämtliche Mitarbeiter klagten über Überforderung und willkürliche Schlechtbehandlung. Die Fluktuation erheblich. Der Krankenstand dramatisch.

Ein Mitarbeiter geht zur Personalleitung und bittet um Aufhebung seines Arbeitsvertrages. Die Kündigungsfrist beträgt 6 Monate. Selbstverständlich wird seine Bitte abschlägig beschieden. Ich berate den Arbeitnehmer, der für seinen Wunsch gute persönliche Gründe anführen kann, dahin, dass er außerordentlich kündigen soll. Es kommt zu einer Korrespondenz, bei dem ich dem Arbeitgeber erklären kann, dass er den Rechtsstreit, warum sein Arbeitnehmer ihn verlassen will, in Wirklichkeit nicht führen möchte. Erwartungsgemäß gibt der Arbeitgeber klein bei.

König und Bauern

König und Bauern


Kurze Zeit später kommt der nächste Mitarbeiter und bittet mich, ihn ebenso dabei zu unterstützen, früher aus dem Arbeitsverhältnis entlassen zu werden. Eine ähnliche Auseinandersetzung. Auch hier kann ich darauf hinweisen, dass der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten erheblich verletzt hat. Tatsächlich kommt es aber zu einem Prozess: Der Arbeitgeber will dem Arbeitnehmer per einstweiliger Verfügung untersagen, bei einem bestimmten Konkurrenz-unternehmen anzufangen.

Der Rechtsstreit hat mit einem Vergleich geendet. Die Kündigungsfrist wurde auf 3 Monate verkürzt. Für den Mandanten war das O. K. – vor allem in finanzieller Hinsicht sogar vorteilhaft. Es stellt sich aber die Frage, wie es überhaupt zu solchen Streitigkeiten kommen kann, bei denen – so oder so – der Arbeitgeber wie ein Anfänger dasteht. Bei dem Prozess hat der Arbeitgeber zwar verhindert, dass ihm ein Arbeitnehmer einfach so die kalte Schulter zeigen kann, der Preis, der dafür bezahlt wurde, war hoch. Anstatt darüber nachzudenken, dass in einem Unternehmen, in dem Mitarbeiter nach über 10 Jahren Betriebszugehörigkeit von sich selbst aus kündigen, etwas schieflaufen muss, versuchte der Arbeitgeber seine Macht auszuspielen. Macht sollte aber nicht in den Händen von dummen Menschen liegen, weil da nie etwas Gutes dabei herauskommen kann. Macht bedeutet immer besondere Verantwortung, also Pflicht und nicht Privileg. Der Arbeitnehmer, der mitbekommt, dass sein Arbeitgeber mit seiner Macht nicht sorgsam umgeht, sollte – wenn er sich schlauerweise von ihm verabschieden will – allerdings nicht allzu redselig sein. In solchen Fällen ist es gut, wenn man sich früh beraten lässt.

Und Arbeitgebern sollte man loyale Berater wünschen, die auch darauf aufmerksam machen, wenn leitende Angestellte mit ihrer Macht nicht verantwortlich umgehen.

Tatsächlich muss auch ein Arbeitnehmer die Kündigungsfristen einhalten, obwohl dies eigentlich  widersinnig ist. Die Frage stellt sich allerdings aus den genannten Gründen nur selten als Rechtsfrage. 

Mindestlohn unterlaufen – geht das?

Klar geht das. Die arbeitsrechtliche Praxis zeigt schon jetzt, dass viele Arbeitgeber versuchen, das neue Mindestlohngesetz zu unterlaufen.

Man kann Verständnis dafür haben, gibt es doch Unternehmen und Branchen, in denen die Umsetzung des Mindestlohnes eine schier unmögliche Aufgabe zu sein scheint. Da kommen gerne Spezialisten, die versprechen vertragliche Lösungen, mit denen man angeblich die Zahlung des Mindestlohnes vermeiden kann. Vorsicht ist angebracht.

Das größte Problem besteht in der fehlenden Rechtssicherheit. Wenn man das Gesetz nicht genau umsetzt, hat man ein Rechtsproblem, zu dem es noch keine Rechtsprechung gibt. D.h. die Frage, ob eine bestimmte vertragliche Regelung legal ist oder nicht, wird erst in mehreren Jahren entschieden sein.  Und wenn sich dann herausstellt, dass das Gesetz unterlaufen wurde, sind die Ansprüche der Arbeitnehmer immens. Denn der Arbeitnehmer kann rückwirkend für drei Jahre seine Ansprüche geltend machen. Ausschluss- und Verfallklauseln greifen hier nicht.

Dann geht es nicht nur um Geld. Wer den Mindestlohn nicht zahlt, macht sich strafbar. Ein guter Unternehmer ist daher gut beraten, das Problem betriebswirtschaftlich zu lösen und nicht mit juristischen Tricks.  Das bedeutet nicht, dass gut darauf geachtet werden sollte, ob die Verträge tatsächlich so gestaltet sind, dass alles, was für die Zahlung des Mindestlohnes angerechnet werden kann, auch tatsächlich angerechnet wird.

Arbeitnehmer dagegen haben es leichter. Bekommen sie nicht ihren Mindestlohn, können sie erst einmal abwarten. Der Arbeitgeber nimmt sich bei ihnen einen ziemlich teuren Kredit. Und wenn er fällig ist, sollte er in der Lage sein, das bezahlen zu können.