LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN:

100.000 € Schadensersatz für studentischen Minijobber

"Arbeitsrechtlicher Triumph: Wie ein Jurastudent 100.000 € Schadensersatz gegen Gastgewerbe erstritt – LAG München (Az. 11 Sa 456/23)"

Der Fall im Überblick

Im Sommer 2025 sorgte ein Fall aus München für bundesweite Aufmerksamkeit: Ein Jurastudent, der als Minijobber in einem Traditionsgasthaus arbeitete, wurde fristlos entlassen – kurz nachdem er einen Betriebsrat gründen wollte. In zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München erstritt er außergerichtlich bemerkenswerte Ansprüche – auch gegen den Geschäftsführer persönlich im Gegenwert von mehr als 100.000 €, darunter Schadensersatz, Urlaub und eine schriftliche Entschuldigung.

Der Fall im Detail

1. Ausgangslage & Kündigung

Der 24-jährige Kläger war seit 2018 als Kellner in einem traditionsreichen, etwa 100 Jahre alten Münchner Gastronomiebetrieb angestellt. Im Sommer 2021 initiierte er die Bildung eines Betriebsrats – ein gesetzlich geschütztes Vorhaben. Daraufhin wurde er systematisch benachteiligt: zunächst gar nicht mehr eingesetzt, nach einem gescheiterten Wahlversuch nur noch als Küchenhilfe und schließlich fristlos wegen angeblicher „beharrlicher Arbeitsverweigerung“ gekündigt.

2. Erste Instanz

Das Arbeitsgericht (ArbG) München gab dem Kündigungsschutz statt – erkannte also die Unzulässigkeit der Kündigung – wies jedoch alle weitergehenden Forderungen ab.

3. Berufung & erweiterte Klage

Der Student legte Berufung ein und erweiterte die Klage auf den Geschäftsführer persönlich, nachdem die Arbeitgeber-GmbH Insolvenz anmeldete, sowie auf die neue Betreiberin als Betriebsübernehmerin gem.  § 613a BGB.

4. LAG München urteilt umfassend zugunsten des Studenten

In zweiter Instanz stellte das LAG München (Az. 11 Sa 456/23, Teilurteil vom 16.4.2025, Schlussurteil vom 4.6.2025) fest:

Die Kündigung war eine unzulässige Maßregelung wegen Betriebsratsinitiative (§ 612a BGB). Die Umsetzung in die Küche diente dem Druckausüben.

Schadensersatz umfasst Verdienstausfall, entgangenes Trinkgeld (100 € pro Schicht), entgangene Verpflegung (Speisen/Getränke). Trinkgeld wurde als typisch im Gastronomiebereich anerkannt – ersatzfähig gemäß § 252 BGB.

Entgeltanspruch: Auch Überstunden wurden anerkannt, obwohl offiziell Minijob, tatsächliche Leistungen zählen. Annahmeverzugslohn wurde zugesprochen. Waschkosten für Arbeitskleidung und zurückbehaltenes „Gläsergeld“ (2 € pro Schicht) ebenfalls ersetzt.

Urlaubsanspruch: 72 Tage oder 29 Wochen bezahlten Urlaub, weil der Arbeitgeber den Studenten nie über seine Urlaubsansprüche informiert hatte.

Immaterielle Naturalrestitution: Eine schriftliche Entschuldigung, weil die Kündigungserklärung diskriminierende Alters- und Teilzeit-Begründungen enthielt (§ 3 i.V.m. § 7 AGG).

Geschäftsführer persönlich haftbar: Schutzgesetz verletzt, Haftungsbeschränkung der GmbH somit durchbrochen; ebenfalls neue Betreiberin in Haftung (§ 613a BGB).

Fazit & Bedeutung

Arbeitgeber wissen in der Regel, dass sie im Arbeitsgerichtsprozess vorsichtig sein müssen. Wie wichtig es ist, den Konflikt schon vorher ordentlich anzulegen oder noch besser: beizulegen, zeigt dieser Fall. Für die anwaltliche Praxis ist der Fall vor allem deswegen von Interesse, weil selten so viele Ansprüche parallel in einem einzigen Rechtsstreit nebeneinander geltend gemacht werden.

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