MINDESTLOHN STEIGT AUF 13,90 EURO!
Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer JETZT tun müssen!
Mindestlohn 2026: 13,90 Euro,
neue Minijob-Grenze und mehr Bürokratie
Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer jetzt wissen müssen
1. Ausgangslage: Mindestlohn 2026 – mehr Geld, mehr Pflichten
Zum 1. Januar 2026 steigt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf 13,90 Euro brutto pro Stunde. Ein Jahr später, zum 1. Januar 2027, soll er weiter auf 14,60 Euro angehoben werden.
Diese Entwicklung ist Teil einer langen Reihe von Anhebungen seit der Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015. Damals lag die Lohnuntergrenze bei 8,50 Euro. Inzwischen ist der Mindestlohn für Millionen Beschäftigte in Deutschland zu einer zentralen Einkommensquelle geworden – mit erheblichen Auswirkungen insbesondere in Branchen ohne Tarifbindung.
Für Arbeitnehmer ist die Erhöhung zunächst eine gute Nachricht: Wer bisher knapp über oder sogar unter dem künftigen Mindestlohn verdient, kann mit mehr Geld rechnen – jedenfalls auf dem Papier. Für Arbeitgeber, vor allem im Handwerk und in kleinen Betrieben, bedeutet die Erhöhung eine zusätzliche Belastung. Neben den reinen Lohnkosten spielen Lohnnebenkosten, Wettbewerbssituation und Preisdruck eine Rolle.
Hinzu kommt: Mit jeder Anhebung wächst das Risiko, dass Betriebe mit der Umsetzung nicht hinterherkommen – und damit in Konflikt mit dem Gesetz geraten.
2. Mindestlohn ist ein Stundenlohn – warum das im Dezember wichtig wird
Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Stundenlohn. Das heißt: Entscheidend ist, wie hoch der Lohn pro geleisteter Arbeitsstunde ist. Der Blick auf das Monatsgehalt reicht nicht aus.
Für Arbeitgeber bedeutet das:
Ermitteln Sie die vereinbarte Arbeitszeit (z. B. 40 Stunden pro Woche, 173 Stunden pro Monat).
Setzen Sie das Bruttomonatsgehalt ins Verhältnis zu diesen Stunden.
Prüfen Sie, ob dabei mindestens 13,90 Euro pro Stunde herauskommen.
Ein Beispiel:
Verdient ein Arbeitnehmer 2.200 Euro brutto bei 40 Wochenstunden, liegt der rechnerische Stundenlohn bei etwa 12,70 Euro – deutlich unter dem Mindestlohn von 13,90 Euro. In einem solchen Fall muss das Gehalt angepasst werden.
Wichtig ist dabei auch die tatsächliche Arbeitszeit: Wenn regelmäßig mehr gearbeitet wird als vertraglich vereinbart – etwa durch Überstunden oder „Mehrarbeit, die keiner sieht“ –, kann der effektive Stundenlohn selbst dann unter den Mindestlohn rutschen, wenn der Papierwert bei 13,90 Euro liegt.
3. Welche Lohnbestandteile zählen – und welche nicht?
Die Praxis kennt viele Vergütungsmodelle: Grundgehalt, Schichtzulagen, Funktionszulagen, Nachtzuschläge, Leistungsprämien, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und mehr. Hinzu kommen einmalige Boni, Erfolgsbeteiligungen oder freiwillige Zahlungen.
Für den gesetzlichen Mindestlohn kommt es darauf an, ob ein Bestandteil regelmäßig, verlässlich und als Gegenleistung für die Arbeit gezahlt wird. Dazu zählen typischerweise:
das laufende Grundgehalt,
dauerhaft vereinbarte feste Zulagen, die an die Arbeitsleistung gekoppelt sind.
Nicht angerechnet werden können in der Regel:
einmalige Boni („wenn es gut läuft“),
freiwillige Sonderzahlungen, die nicht fest zugesagt sind,
reines Weihnachtsgeld ohne klaren Bezug zur laufenden Arbeitsleistung,
rein erfolgsabhängige, unsichere Prämien.
Die Folge: Ein hoher Bonus im Dezember nützt Ihnen als Arbeitgeber nichts, wenn der laufende Stundenlohn im gesamten Jahr die 13,90 Euro verfehlt. Umgekehrt darf ein korrekt gezahlter Mindestlohn durch solche freiwilligen Leistungen sinnvoll ergänzt werden.
4. Sachbezüge: Gutes Essen ersetzt keinen Mindestlohn
In vielen Betrieben gibt es Sachleistungen: vergünstigtes oder kostenloses Essen, Unterkunft, Dienstwagen zur Privatnutzung, Tankgutscheine oder andere Vorteile. Das kann sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer attraktiv sein.
Für den gesetzlichen Mindestlohn gilt aber:
Sachbezüge dürfen nicht auf die Lohnuntergrenze angerechnet werden.
Der Mindestlohn muss als Geldleistung gezahlt werden. Wer meint, ein niedriger Geldlohn werde durch „gutes Essen“, ein schönes Zimmer oder andere Annehmlichkeiten rechtlich ausgeglichen, irrt in aller Regel. Im Streitfall interessiert das Gericht vor allem eines:
Welcher Geldbetrag ist pro Stunde geflossen?
Sachleistungen können zusätzlich sinnvoll sein, ändern aber nichts daran, dass mindestens 13,90 Euro brutto je Arbeitsstunde als Geldlohn gezahlt werden müssen.
5. Arbeitszeiterfassung: EuGH, BAG und die Pflicht zur Dokumentation
Ein besonders sensibler Punkt ist die Arbeitszeit. Schon 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzuführen (Rechtssache C-55/18 – „CCOO“).
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Vorgaben 2022 aufgegriffen und klargestellt, dass bereits nach geltendem deutschen Recht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Arbeitgeber müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer dokumentieren (BAG, Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21).
Was heißt das praktisch?
Es muss ein System geben – das kann elektronisch sein, muss es aber nicht.
Klassische Stundenzettel können genügen, wenn sie vollständig und zuverlässig geführt werden.
Entscheidend ist, dass die tatsächlich geleistete Arbeitszeit lückenlos dokumentiert wird.
Daneben bestehen spezielle Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, insbesondere für bestimmte Branchen (z. B. Bau, Gastgewerbe, Logistik) und für Minijobs.
Gerade im unteren Lohnbereich ist das wichtig: Schon wenige „vergessene“ Stunden im Monat können dazu führen, dass der tatsächliche Stundenlohn unter den Mindestlohn fällt – mit allen rechtlichen Folgen.
6. Minijobs: Von 556-Euro-Job zum 603-Euro-Job
Die Minijob-Grenze ist seit einiger Zeit dynamisch an die Entwicklung des Mindestlohns gekoppelt. Mit der Erhöhung auf 13,90 Euro steigt die monatliche Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte voraussichtlich von derzeit 556 Euro auf 603 Euro im Monat ab dem Jahr 2026.
Für Arbeitgeber heißt das:
Arbeitszeitplanung:
Sie müssen im Blick behalten, wie viele Stunden ein Minijobber zum neuen Mindestlohn arbeiten darf, ohne die Grenze zu überschreiten.Vertragsgestaltung:
Arbeitsverträge mit festen Stundenzahlen sollten überprüft und ggf. angepasst werden, damit der vereinbarte Stundenumfang und die neue Lohnhöhe zur Minijob-Grenze passen.Sozialversicherung:
Wird die Grenze überschritten, handelt es sich nicht mehr um einen Minijob – mit entsprechenden Beitrags- und Meldepflichten.
Für Arbeitnehmer kann die höhere Grenze bedeuten, dass sie mit weniger Stunden mehr verdienen können – oder bei gleichbleibender Stundenanzahl ein höheres Einkommen erzielen, ohne ihren Minijob-Status zu verlieren.
7. Rechte der Arbeitnehmer: Wenn der Mindestlohn nicht ankommt
Für Arbeitnehmer ist entscheidend zu wissen:
Wer weniger als den gesetzlichen Mindestlohn bekommt, hat einen Anspruch auf Nachzahlung der Differenz.
In vielen Fällen können Lohnansprüche bis zu drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden (regelmäßige Verjährungsfrist). Zu beachten sind jedoch vertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen, die kürzere Geltendmachungsfristen vorsehen können.
Zwei Optionen, die ich in der Praxis sehe:
Frühes Gespräch mit dem Arbeitgeber
Vorteil: Der Arbeitgeber hat die Chance, die Situation schnell zu korrigieren.
Nachteil: Es kann zu offenen Konflikten kommen, im Extremfall zu einer Kündigung – insbesondere in kleineren Betrieben ohne Kündigungsschutz.
„Alles wissen und nichts sagen“ – und später nachfordern
Wer sich zunächst eine bessere Position am Arbeitsmarkt sucht, kann anschließend für zurückliegende Zeiträume Ansprüche prüfen lassen.
Hier ist wichtig, Fristen im Blick zu behalten und im Zweifel rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen.
In jedem Fall sollten Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit und den tatsächlich gezahlten Lohn dokumentieren – auch dann, wenn der Arbeitgeber dies nicht korrekt tut. Ohne Beweise wird die Durchsetzung von Ansprüchen deutlich schwieriger.
8. Risiken für Arbeitgeber: Nachzahlungen, Bußgelder, Strafverfahren
Arbeitgeber, die den Mindestlohn unterschreiten, gehen erhebliche Risiken ein:
Nachzahlungen an Arbeitnehmer (Differenzlohn plus ggf. Zinsen),
Beitragsnachforderungen der Sozialversicherungsträger,
Bußgelder nach dem Mindestlohngesetz,
in schweren Fällen strafrechtliche Konsequenzen, etwa im Zusammenhang mit vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen.
Gerade kleinere Betriebe unterschätzen häufig, wie schnell sich aus vielen kleinen „Ausnahmen“ – einer Stunde hier, zwei Stunden dort – erhebliche Summen ergeben können, wenn die Behörden oder Gerichte rückwirkend mehrere Jahre prüfen.
9. Politische Einordnung: Zwischen Existenzsicherung und Überforderung
Ich sehe das Thema Mindestlohn durchaus zwiespältig:
Auf der einen Seite ist klar, dass ein zu niedriger Lohn Menschen trotz Vollzeitarbeit in die Armut führt – und im Alter droht eine Rente, die nicht zum Leben reicht.
Auf der anderen Seite gibt es viele, meist kleinere Betriebe, für die jede Erhöhung ein echter Kraftakt ist. Die Material- und Energiekosten steigen, Kunden sind nicht bereit, jede Preiserhöhung mitzugehen, und die Konkurrenz ist groß.
Hinzu kommen rechtliche Vorgaben aus Brüssel und Berlin, die immer komplexer werden. Die Pflicht zur umfassenden Arbeitszeiterfassung mag aus Sicht des Arbeitsschutzes sinnvoll sein, überfordert aber objektiv viele Betriebe, in denen die Chefs noch mit auf der Baustelle oder selbst im Laden stehen.
Das Problem ist weniger der Gedanke eines fairen Mindestlohns, sondern die Art, wie Bürokratie und Kontrolle in der Praxis umgesetzt werden – oft weit weg von der Lebenswirklichkeit kleiner und mittlerer Unternehmen.
10. Was Sie jetzt tun sollten – als Arbeitgeber und als Arbeitnehmer
Für Arbeitgeber:
Löhne prüfen:
Rechnen Sie für alle Mitarbeiter in der Nähe des Mindestlohns den effektiven Stundenlohn aus.Vergütungsstruktur analysieren:
Welche Bestandteile sind mindestlohnrelevant, welche nicht? Gibt es freiwillige Zahlungen, die nicht angerechnet werden können?Arbeitszeiterfassung sichern:
Stellen Sie sicher, dass ein System zur vollständigen, verlässlichen Erfassung der Arbeitszeit existiert – und auch tatsächlich genutzt wird.Minijobs überprüfen:
Passen Sie Arbeitsverträge und Einsatzplanung an die neue Minijob-Grenze an.Risiken kontrollieren:
Prüfen Sie, ob Nachzahlungen drohen und wie sich diese begrenzen lassen.
Für Arbeitnehmer:
Lohn und Arbeitszeit kennen:
Rechnen Sie nach, ob Ihr Stundenlohn ab Januar 2026 tatsächlich bei mindestens 13,90 Euro liegt.Arbeitszeiten dokumentieren:
Notieren Sie Beginn, Ende und Pausen Ihrer täglichen Arbeitszeit – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber das korrekt macht.Ansprüche prüfen:
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie zu wenig bekommen, lassen Sie klären, ob und in welchem Umfang Nachforderungen möglich sind.
11. Kostenlose Ersteinschätzung – wann sich ein Gespräch lohnt
Wenn Sie Arbeitgeber sind und Mitarbeiter in der Nähe des Mindestlohns beschäftigen, oder wenn Sie Arbeitnehmer sind und vermuten, dass Sie von der Erhöhung betroffen sind, können Sie über meine Homepage einen Termin für eine kostenlose kurze Ersteinschätzung buchen:
https://www.ra-th.de/terminvereinbarung
Wir telefonieren bis zu fünf Minuten, klären, ob Handlungsbedarf besteht und besprechen, wie Sie weiter vorgehen können – etwa, ob eine Anpassung der Vergütung, eine Überarbeitung der Arbeitsverträge oder eine Prüfung von Ansprüchen sinnvoll ist.
Bitte beachten Sie:
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Rechtslage zum Mindestlohn und zur Arbeitszeiterfassung nach deutschem Recht. Er kann und soll eine individuelle Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen. Jede Situation ist anders – insbesondere wegen möglicher Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und vertraglicher Ausschlussfristen.
